Wissenschaftsakademie Berlin
    Sommertrimester 2002



    Freitag, 24. Mai, 20 - 22 Uhr (c.t.)
    Kompaktseminar: "Futter fuer die Reflexion? (Post-) Subkultur als Lernkontext"
    Seminarort: Torstrasse 94 (Redesigndeutschland), Berlin-Mitte

    Dieses Seminar versucht, zwei sozialtheoretische Felder - das der Jugend- und Subkulturforschung und das der Reflexivitaetssoziologie - sinnvoll miteinander zu verbinden. Das beinhaltet zum einen eine Einfuehrung in "subcultural studies", wie sie an der Chicago School, dem Birmingham CCCS und danach in Form von "post-" subcultural studies betrieben wurden. Zum anderen wird der Begriff der Reflexivitaet (via Philosophie, moderner und spaetmoderner Soziologie und Kulturwissenschaft) zerlegt und selektiv wieder zusammengebaut. Die Verbindung dieser Felder soll einen neuen analytischen Rahmen generieren, in dem gegenwaertige Jugend- und Subkulturformationen neu gedacht und erforscht werden koennen. Dieser Rahmen setzt da an, wo 'Widerstand' als Hauptreferent (vorwiegend symbolischer, etwa durch Style) in Zeiten von subkultureller Popularisierung und Kommerzialisierung untragbar scheint. Worin koennte nun dennoch ein progressives Potential entschlossener Populaerkulturanhaenger bestehen? In ihrer sich durch ihr kulturelles Umfeld ausweitenden Reflexivitaet. Was das heisst und wo dies in welcher Form passiert, soll in diesem Seminar ergruendet werden.

    Dozent: Boris Ewenstein, Media and Communications / Sociology, Goldsmiths College, University of London






    Skript:


    Einleitung:

    ***OHP*** bootlab.org lädt ein zu copy cultures (1)

    "sind damit "kopierte kulturen" oder "die kultur der kopie" gemeint oder einfach 'party' unter dem deckmantel eines politischen diskurses bestückt und garniert mit dem nötigen schuss politik. Sexy and ready for debatte. Aber wir wissen wie politik in unseren breiten funktioniert und wissenschaft ist fastfood (wissenschaftsakademie) und einführungen in die kunst der interpretationen und literaturwissenschaften. wir wissen per definition was poetik, hermeneutik und realismus sind, doch niemand weiss damit was anzufangen."

    Ich würde dieser Behauptung widersprechen. Nicht nur um Florian Cramer gerecht zu werden, der dieses Fastfood angerichtet hat. Man kann meiner Meinung nach eine ganze Menge mit diesen Einführungen und Erkenntnissen anfangen. Das wiederum hat gesellschaftliche und analytische Implikationen. Diese sollen hier heute abend vorgestellt und ergründet werden. Und zwar durch das Konzept der Reflexivität.

    Andererseits und gleichzeitig werden die Begriffe Jugendkultur und Subkultur immer undeutlicher. Die einen behaupten, Jugend ist kreativ, wirtschaftlich gewievt und insgesamt schlau, die anderen zweifeln am kulturellen Kapital der 18 bis 24-jährigen. *** OHPs***

    "Subkultur" als Begriff hat im übrigen fast jegliche Konturen verloren. Entweder der Subkulturbegriff wird vollends abgelehnt - es gibt nur noch einen heterogenen Mainstream - oder er beschreibt vage alle Szenarien in denen junge - oder oft gar nicht mehr so junge - Leute zusammentreffen, wo Musik und Style ein Rolle spielen und wo evtl. Referenzen zu traditionellen Jugendkulturen vorhanden sind. Der Subkulturbegriff steckt in der Krise. Wie es zu dieser Krise kam, soll ebenfalls heute abend ergründet werden, und zwar anhand einer historischen Rückblende, die drei entscheidende Stationen in der Geschichte des Begriffs abbildet.

    Enstscheidend ist, was entlang dieser historisch-spezifischen Stationen aus dem Gedanken wird, dass Subkulturen immer auch ein progressives, potentiell gesellschaftsveränderndes Moment enthalten. Abweichung, Subversion, Widerstand.

    Ob allerdings im Kontext von jugendkultureller Popularisierung und Kommerzialisierung noch von Widerstand gesprochen werden kann, ist fraglich. Rebellion, OHP, Dazed debates OHP

    Deshalb möchte ich vorschlagen, das Augenmerk von Widerstand abzuwenden, um den Reflexivitätsbegriff näher zu betrachten. Dieser enthält ebenfalls ein progressives Potential, oder eine Reihe von diversen Potentialen, die nicht unbedingt auf aktiven, politischen Widerstand hinauslaufen, dennoch aber Auseinandersetzung und Kritik beibehalten.

    Unter dem Begriff der Reflexivität können gegenwärtige Jugend- und Subkulturformationen neu gedacht und erforscht werden; vielleicht auf eine Art, die den gegebenen sozio-kulturellen und ökonomischen Strukturen eher entspricht als die analytischen Ansätze, die auf Rebellion oder Widerstand setzen.

    Also geht es heute abend zum einen um Subkulturforschung, genauer um "subcultural studies", wie sie an der Chicago School, dem Birmingham CCCS und danach in Form von "post-" subcultural studies betrieben wurden.

    Zum anderen geht es um den Begriff der Reflexivität und zwar mittels Philosophie, moderner und spätmoderner Soziologie und Kulturwissenschaft. Unterwegs fallen ein paar Beispiele, um der Theorie ein bisschen Einhalt zu gebieten und um zu illustrieren, inwiefern es praktisch Sinn macht, heutige subkultur-verwandte Formationen nicht nach Widerstand hin sondern nach Reflexivität zu untersuchen.

    Aber zunächst zur Subkulturtheorie, an die Chicago School und deren Arbeit in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg bis hin zu den 60er Jahren.


    Chicago School

    Motivation

    Community service in einem liberal-pluralistischen Rahmen

    Interesse an Demokratisierung, insbesondere von nicht- oder unterpriviligierten gesellschaftlichen Gruppen

    Beispiel: Projekt der Reintegration von jugendlichen Kriminellen oder Missetätern in eine Umwelt, in der man nicht nur überleben, sondern, im gesellschaftlichen Sinne, leben kann. Das heisst, einen Raum zu finden, in dem man einen Lebensentwurf formulieren kann, der eine relativ ganzheitliche und zufriedene Existenz gestattet (cf. Robert Park).

    Solche Räume existieren nach der Chicago School insbesondere in den Städten, die als komplexe Ökosysteme verstanden wurden. Ökosysteme, die unterschiedliche Lebensformen unterstützen.

    Leitmotiv

    The city als komplexes Ökosystem, welches eine Reihe von unterschiedlichen Lebensformen unterstützt



    Projekt

    Diese Lebensformen als strukturierte gesellschaftliche Sphären zu begreifen; als Gemeinschaften mit charakteristischen Verhaltensweisen, symbolischen Codes, Normen, Werten und Anschauungen.

    Somit trennt sich die Chicago School in ihrem Ansatz schon mal von der weitgehend akzeptierten Idee zu der Zeit, dass es eine homogene nationale Kultur gibt und dann eben den ganzen pathologisch-andersartigen Rest. Dieser undifferenzierte, abweichende Rest stellt in Wirklichkeit eine Reihe komplexer, hierarchisch organisierter Lebensräume dar, die nach einem neuen Konzept verlangen, was dann in der Chicago School zum erstenmal "subculture" heisst.

    Um noch mal zu dem Begriff des komplexen Ökosystems zurückzukehren: Dieses Motiv beschreibt nicht nur metaphorisch die Vielfalt der Grossstädte, sondern verlagt nach einer entsprechenden Forschungsweise. Die Chicago School bevorzugte eine...

    Methodik

    Naturalistische Perspektive: empirische, ethnographische Forschungsarbeit bevorzugt

    D.h. man muss in dieses Ökosystem eintauchen und die Lebenserfahrungen der dort Ansässigen ernstnehmen, statt, wie wir später sehen werden, im Birmingham Centre vorwiegend Textanalyse zu betreiben. Deep "hanging-out", wie das ein amerikanischer Anthropologe einmal genannt hat, statt einer semiotischen Dechiffrierung von Oberflächen, wie z.B. Mode.

    Ein Akzent auf diese Art der Forschung ist relevant für heutige Jugend- und Subkulturstudien, die vor allem in England und in Amerika wieder sehr stark auf Ethnographie setzen, auf empirische Forschung, die versucht, so nah wie es einem Zwangsaussenseiter nur gelingen kann, an die Lebensräume- und erfahrungen der Subkulturmitglieder zu kommen.

    Wie haben also nun diese Studien an der Chicago School das Subkulturkonzept geprägt?

    Subkultur-Konzeptentwicklung

    Über die fragmentierenden Einflüsse des Stadtlebens, die dem Gedanken einer singulären und homogenen Nationalkultur - die Amerikaner! - entgegenwirken.

    Die Stadt wird hier als Schmelztiegel der Kulturen und Ethnien verstanden, in derer Interaktion sich neue soziale Typen herausbilden. Diese Typen stehen im Wettbewerb miteinander, wachsen und gedeihen oder gehen ein - wie in einem Fauna-Ökosystem.

    Individuen, die diesen Typen entsprechen, bewohnen bestimmte Räume, moralische Regionen, wie sie Robert Park 1925 nennt. Diese Milieus stellen das Fundament dar für die Bildung von bestimmten Kollektiven oder sogar Gemeinschaften.

    Entscheidend ist, dass diese Proto-Subkulturen, die so noch nicht als Subkultur deklariert wurden, als deviant befunden wurden. D.h. als abweichend, vielleicht pikant abartig, auf jeden Fall jenseits einer dominanten moralischen Ordnung. Bei Park geht es um Bohemia, die Halbwelt, das redlight district.

    Ein Beispiel dafür wäre die Welt der taxi dancers im Chicago der 30er Jahre. Taxi dancers sind wie bei Tina Turner private dancers. Man bezahlt für einen Tanz, der allzu oft nicht auf der Tanzfläche endet. Das Interessante an Paul Cresseys empirischer Studie der dancers und dancehalls war die Entdeckung einer komplexen gesellschaftlichen Ordnung, mit systematisierten Strukturen und Hierarchien. Die Annahme, man hätte es hier lediglich mit einer regel- und zügellosen Welt der Sittenlosigkeit und Amoralität zu tun, ist schlicht falsch - und wahrscheinlich übertrieben. In der dancehall herrschen verschiedene Gruppen mit unterschiedlichem Prestige; Mädchen und Frauen auf den oberen Levels würden z.B. nie mit ihren "Tanzschülern" ins Bett gehen, sie sind schliesslich dance instructor! All diese hierarchisch angeordneten Strata zusammengenommen bilden eine eigenständige soziale Welt, einen gesellschaftlichen Fakt, nach Durkheim, der nach einem eigenständigen Begriff verlangt.

    Diesen gibt es dann zuerst in der Arbeit von Milton Gordon am Ende der 40er Jahre. Es gibt vorher allerdings noch zwei entscheidende Aspekte der taxi dance-Studie, die genannt werden müssen:

    Beim Eintritt in die Welt der taxi dances passiert etwas Interessantes mit Identität. Alma Heisler aus der Vorstadt, so beschreibt es Cressey, wird zu "Helene de Valle". Ein neues, leidenschaftlicheres, romantisches, fantastisches Selbstverständnis entsteht, voll Aufregung und Glamour. Dieser Prozess des Werdens, nicht nur "sein", dieses Annehmen einer mythischen Identität, stellt einen grossen Teil des Appeals von Subkulturen dar und ist verantwortlich für Zusammenhalt und ein Gefühl von Zugehörigkeit.

    Zu dieser Identität gehört natürlich auch ein entsprechender way of life. Deshalb geht es hier auch um eine Subkultur und nicht nur um einen erweiterten Arbeitsmarkt, ins Rotlichtviertel hinein...

    Nun also zur ersten Definition und theoretischen Ausführung des Subkulturkonzepts:

    Erste Definition der Subkultur als kohärente und integrierte Einheit, die aus einer Reihe quantifizierbarer, gesellschaftlicher Variablen besteht.

    Gordon war unglücklich mit den bestehenden sozio-theoretischen Modellen. "Kultur" - mit einem nationalen Fokus - ist ihm zu weit gesteckt. Klasse, Enthnizität, Religion sind ihm zu eng bemessen. Seiner Meinung nach würde es Sinn machen, eine Unterteilung von "culture" - d.h. national culture - einzuführen. Also, ganz logisch, subculture. Das Subkulturkonzept umfasst hier eine Reihe gesellschaftlicher Variablen: Einkommensklasse, ethnischer Hintergrund, religiöse Orientierung usw. Allerdings formen diese Variablen eine spezifische Einheit, die einen integrierten Einfluss auf das teilnehmende Individuum hat. Es könnte zum Beispiel um die Gemeinschaft von working class jewish Italians gehen, in einem bestimmten Bezirk Chicagos. In diese Subkultur als Lebenswelt wird man eher hineingeboren, als dass man sie sich aussucht, etwa nach dem Mode- oder Musikgeschmack. Die Subkultur ist eine hermetische Lebenswelt, die alle Lebensbereiche und Lebensabschnitte abdeckt. Eigentlich ist diese Subkultur eher eine Subgesellschaft. Was ist aber nun mit flexibleren Gruppen und Kulturen, denen man sich anschliesst, die aber nicht jeden Lebensbereich, Arbeit und Freizeit, abdecken?

    Entwurf der Subkultur als flexibel und Gruppen-spezifisch, nicht als vollkommene und ganzheitliche Lebenswelt

    1963 gibt Howard Becker sein Buch "Outsiders" heraus. Darin geht es um hippe Jazz-Musiker und ein Publikum, also auch eine weitere Öffentlichkeit, die "square" sind. Einerseits wollen sich die Musiker abheben, andererseits wollen sie durch dieses Abheben und Unterscheiden ihren eigenen Blickwinkel, ihren frame of reference, darstellen und legetimieren. Dieser Referenzrahmen ist eine Reaktion auf gewisse Anpassungsprobleme (siehe auch A.Cohen, 1955). Werden die Musiker behandelt wie billige Entertainer, die gefälligst die Jazzstandards zum besten geben sollen, oder wenn sie gar als faule Dandys abgetan werden, reagieren sie mit ihrem eigenen, spezifischen Selbstverständnis: Wir haben eine besondere Gabe, eine besondere Feinfühligkeit und einen entsprechenden Geschmack, den ihr Philister nicht versteht und nicht verstehen sollt. Die Subkultur bietet einen bestimmten "way of life", der de facto eine Lösung der Anpassungsprobleme der Musiker darstellt. Plötzlich macht alles Sinn, und mit gleichgesinnten noch viel mehr. Subkultur ist hier keine komplette Subgesellschaft sondern ein Lebensentwurf, der sich im Widerspruch zu dem planlosen aber unterdrückenden Mainstream formiert. Fürs Subkulturkonzept heisst dies: Subkultur ist Anti-Haltung, moralische Abweichung und oft auch gesetzliche Abweichung in Form von Kriminalität oder Drogenkonsum.

    Subkultur als Lifestyle

    Aber Subkultur ist eben auch Lifestyle. Und dieser Lifestyle bleibt nicht lange das Geheimnis oder das exklusive und spezifische Eigentum der ursprünglichen Gruppen. Subkultur ist nicht länger oder nicht nur eine alles-umfassende Mini-Gesellschaft, sondern ein offeneres und flexibleres System aus Codes und Atmosphären, die über die bestimmten Mitglieder und Orte hinweg zirkulieren. Dieses Strömen von subkulturellen Elementen produziert nach John Irwin "subkulturellen Relativismus". Indem Leute bewusst auf das Existieren mehrerer Lebensentwürfe eingehen, organisieren sie ihr eigenes Verhalten entsprechend dieser alternativen Lifestyles.
    Das stellt eine Art der Reflexivität in der Populärkultur dar: Hinsichtlich multipler Lebensstile, beginnt man nun - ausdrücklich oder intuitiv - seine eigenen Ansichten und Handlungen neu zu reflektieren. Dieses mögliche Reflektieren, Problematisieren und Infragestellen, kann eine kritische Einstellung mit sich führen, gegenüber seinem eigentlichen Lebensraum, der nicht mehr nur natürlich und unanfechtbar erscheint.

    Irwins Modell des subkulturellen Relativismus stellt nun nicht nur die Idee (aber nicht den Begriff) der Reflexivität vor, zu der wir nachher noch kommen, sondern bietet zusätzlich noch das Verständnis von subkultureller Identität als performativ und konstruiert an. Man spielt mythische Persönlichkeiten: den "real-en" und harten rude boy, den hippen jazz player, die glamouröse Helene de Valle, Tanzlehrerin. Identitäten sind also problematisch und nicht einfach der Ausdruck von Klasse, Ethnizität, Geschlecht, und so weiter. Genau umgekehrt, es sind diese Variablen, die bis zu einem gewissen Grad im Identitätsspiel zurückgelassen werden können, vergessen werden können...

    Bevor wir nun zum nächsten "Paradigma" in der Jugend und Subkulturforschung kommen, der Birmingham-Schule, gibt es noch einen Anschlusspunkt im Rahmen der Chicago School.

    Anschlusspunkt ans Birmingham CCCS: Über die Beziehung zwischen Subkulturformation und der Ideologie einer kapitalistischen Politischen Ökonomie.

    Jock Young untersucht Drogenkonsum. Allerdings nicht als individuelle Psychopathologie, sondern in unmittelbarem Zusammenhang mit bestimmten sozio-ökonomischen Verhältnissen. Nach Young herrscht in marktwirtschaftlich-ausgerichteten Gesellschaften ein Produktivitätsethos, in dem Freizeit und Arbeit keine getrennten sondern komplimentäre Ebenen darstellen. Freizeit ist nach den gleichen Normen organisiert wie die Arbeitswelt. Es ist die Arena in der gewissenhafte Arbeit belohnt wird, wo der berufliche Status bestätigt wird, und wo ein Appetit geschührt wird, der Produktivität und gesellschaftliche Kontrolle ankurbelt (Young, 1971). Freizeit ist kein Spiel. Die Freuden sind begrenzt und reguliert. Somit ist für manche Individuen die Freizeitwelt unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen unbefriedigend und für manche ist sie einfach finanziell ausser Reichweite. Unzufriedenheit mit DEM SYSTEM entsteht und gleich dazu eine Reihe an subkulturellen Lösungen: ein Ablehnen von instrumentaler Rationalität, Drogenkonsum, und eine generelle hedonistische Einstellung. Aus dieser Perspektive ist eine Subkultur von regelmässigen Usern von Halluzinogenen (z.B.) nicht ein Effekt von unmittelbaren Faktoren - Armut, Geistesschwäche, wenig Ausbildung. Ihre Entstehung muss eher im Kontext von makro-sozialen Strukturen verstanden werden: die politische Ökonomie, entsprechende Produktionsverhältnisse, und Arbeitsethik.

    Um genau diesen Kontext geht es im Birmingham Centre for Contemporary Cultural Studies.

    Birmingham CCCS: Unterdrückung und Widerstand

    Motivation

    Community service in einem liberal-pluralistischen Rahmen wird durch eine Marxistische Kapitalismuskritik ersetzt.

    Subkulturen unter dem Aspekt des Widerstands begreifen.


    Leitmotiv
    "Resistance through Rituals" - Symbolischer Widerstand durch Rituale und Codes.



    Hall und seine Kollegen erforschen Nachriegs-Jugendsubkulturen soziologisch und politisch. Sie beginnen mit dem Motiv der double articultation, der doppelten Anbindung:

    Erstens: an die Metakultur, in der die Jugendsubkultur einen Teil darstellt. Anbindung durch: geteilte Erinnerungen, familiäre Räume, Ausbildungs- und Arbeitsstätten.

    Diese Anbindung an die Lebenswelt der Elternkultur existiert, egal wie sehr die Subkulturen versuchen, sich durch Fashion, Redewendungen und Verhalten von der Elternkultur abzuwenden.

    2. Anbindung: durch die Elternkultur an die dominante Kultur. Arbeiterklasse-Subkulturen befinden sich in der gleichen strukturell- bestimmten Position gegenüber der dominanten Kultur wie andere weniger differenzierte Mitglieder der working class.

    In dieser Position sind sie ebenfalls gesellschaftlich untergeordnet und unterdrückt.

    Wie ist die Beziehung zwischen dominanten und untergeordneten Schichten in der Gesellschaft? Hegemonial. D.h. herrschende oder regierende Schichten müssen ihre Dominanz, ihre akzeptierte Führungsrolle aufrecht erhalten und permanent reproduzieren.

    Dass bürgerliche Ideale und Lebensformen als angemessen und richtig gelten, ist eine Frage von Verhandlung und Überzeugung.

    Ideologie spielt hier natürlich eine grosse Rolle. Überzeugung ist leichter, wenn ein utopischer, transzendter Begriff wie "Freiheit" an die Interessen und Machtzentren einer bestimmten Schicht gebunden wird. Ein "freier" Markt verspricht Freiheit in der Auswahl, im Konsum und in der Produktion. Verlockend und oft auch überzeugend.

    Oft, aber nicht immer. Und somit ist das Klassenverhältnis gespannt. Auf Unterdrückung trifft nicht nur Gehorsam sondern auch Widerstand.

    Subkulturen steigen genau in diese dialektische Beziehung zwischen den Schichten ein. Sie bieten Widerstand gegen den eingeschränkten Raum, den sie in der dominanten Ordnung haben. Gleichzeitig aber akzeptieren sie und bewohnen sie diesen Raum in ihrer Rolle als teenage consumer in einer sich ausweitenden Massenkultur.

    Gegen was rebelliert man so in einem gescheiterten Wohlfahrtsstaat? Gegen keine oder wenig Arbeitsmöglichkeiten, debile Jobs, Perspektivlosigkeit, wenig Chancen, den Verfall der traditionellen Arbeiterkultur (cf. Stan Cohen, 1972), die Übermacht der Herren in Nadelstreifen und der Herren mit Scheckbuch, die ein ewiges fast übermächtiges THEY darstellen. They decide, they govern, they control.

    Und wie rebelliert man laut Birmingham CCCS? Indem man Raum erobert. Die Hoffnungen, die man in der dominanten Kultur nicht wirklich erfüllen kann, verwirklicht man in der Subkultur. Man gibt sich Wert und Bedeutung, Status und Prestige in der Nachbarschaft, in der Bande, in der Freizeit (cf. Clarke, Hall et al., 1975). Die Subkultur wird wieder zur Lösung. Bietet Chancen zur Selbstverwirklichung.

    Aber sind diese Lösungen wirklich effektiv? An materiellen Zuständen können sie wohl nichts wirklich verändern. Hall und seine Kollegen behaupten fest, dass Subkulturen nicht herausführen aus working class-Jugendarbeitslosigkeit, Ausbildungsnachteilen oder sogar zwanghafter Fehlausbildung, Jobs ohne Perspektive, routinisierter Arbeit, Niedriglohn und Skillverlust.

    Subkulturelle Strategien können diesen Konditionen, die für die gesamte englische Arbeiterschicht in der Zeit zutreffen, nicht entkommen. Und subkulturelle Karrieren à la Superstar-DJ gab es damals auch noch nicht. Was bleibt? Möglichkeiten des Widerstandes und der Verhandlung, aber keine Auflösung dieser Situation.

    Man verhandelt, in dem man Räume schafft und Identitäten annimmt, seinem Leid auf imaginärer Ebene entkommt, in zeitlich begrenzten, ästhetisch-reichen "Heterotopien" (cf. Foucault, in seinem Aufsatz "Of other Spaces").

    Und wie leistet man Widerstand, vor allem in der zweifelhaften Rolle als oftmals hedonistischer consumer? Hier kommt das wahrscheinlich bekannteste Werk der Subkulturforschung ins Spiel: Hebdiges "Subculture - The Meaning of Style". Nach Hebdige findet Widerstand auf der oberflächlichen Ebene des Zeichens statt - durch Style.

    Methodik

    Hermeneutik und Semiotik: Was wird in der Subkultur ausgedrückt und wie wird es ausgedrückt? Kaum ethnographische Forschung, vorwiegend eigenständige Lesart und Interpretation "von aussen" statt qualitatives Erforschen der Subkultur-Erfahrungen.


    Waren werden konsumiert, aber deren Bedeutungen werden bewusst verzerrt oder umgekehrt. Statt konventioneller Bedeutungen wird Differenz, Andersartigkeit kommuniziert. So übernehmen Mods die Zeichen der Businesswelt - Anzug, Hemd mit Kragen, Krawatte, kurzes Haar - , schmeissen die ursprünglichen Bedeutungen wie Effizienz, Ehrgeiz, Gehorsam raus und behandeln den Dresscode wie einen hohlen Fetisch, als Ziel an sich (Hebdige, 1979). Punks, Skins, Mods, Teds und Rocker provozieren und unterbrechen authorisierte Codes und definieren sich in der Distanz zu geläufigen Sprach- und Dresscodes.

    Die gesellschaftliche Ordnung an sich und ihr angenommener und natürlicher Status werden durch das aufgewühlt, was für disziplinäre Zwecke unterdrückt, an den Rand gedrängt oder für abnormal befunden wurde. Das passiert durch das subversive Kommunizieren von Proletarismus (Skins), Narzismus (Teds, Mods), Nihilismus (Punks, Rocker), Hedonismus (Teds, Mods) und Geschlechter-Confusion (Punks).

    Dadurch werden dem CCCS zufolge dominante Ideologien angefochten.

    Zusammenfassung: Inwiefern ist nun die Arbeit des CCCS entscheidend für ein sich entwickelndes Feld der Subcultural studies? [Das war nur ein kleiner Ausschnitt aus dem CCCS Kanon!]

    Subkultur-Konzeptentwicklung

    Bedeutung gesellschaftlicher Strukturen für die Bildung von Subkulturen wird herausgehoben, besonders von strukturell-bedingter Unterdrückung. Wie wird der Entmächtigung und Unterdrückung symbolisch widerstanden? Style (Musik, Mode, Sprache, etc.) wird als Arena in Betracht gezogen, in der Kritik geäussert werden kann. Die Subkultur und entsprechende mythische Identitäten bieten aber nur imaginäre Lösungen zu materiellen Problemen.
    Subkultur bietet wie auch in der Chicago School einen transformativen Raum zur Selbstverwirklichung, aber nur vorläufig und ohne Garantie: Bestehenden Verhältnissen kann man darin nur bedingt und kurzfristig entkommen.

    Referentenwechsel? Vom Widerstand zur Reflexivität

    Dieser Forschungsstrang wird von folgenden Aspekten informiert:

    Motivation

    Der konzeptuelle Rahmen des CCCS ist spezifisch an die politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnisse eines bestimmten historischen Abschnitts in England gebunden. Dieser Rahmen muss geographisch und historisch qualifiziert werden. Dabei wird fraglich, ob der Subkulturbegriff an sich noch notwendig, gültig und nützlich ist, um die kulturellen Ausdrucksformen jugendlicher Popkulturanhänger zu begreifen.

    Relevant ist in diesem Zusammenhang ein spät-moderner Wandel, in dem sich eine Reihe binärer Oppositionen auflösen.
    Im Zuge der fortschreitenden "Kulturalisierung der Ökonomie", "Popularisierung und Vermarktung von Kultur", des "transnationalen Flusses von Kultur und Kapital" und der "Ausweitung von Informations und Kommunikationsnetzwerken" werden die Grenzen zwischen Arbeit / Freizeit, Underground / Mainstream, Widerstand / Konformität porös.

    Dieser Wandel hat natürlich Auswirkungen auf das Subkulturkonzept. Wir kommen darauf zurück.
    Zunächst einmal gibt es eine Reihe von Kritikpunkten, die in Bezug zum Birmingham Centre genannt werden müssen:

    Nach Cohen, der selbst mit dem Centre eng verbunden war, entstand die Arbeit dort in folgendem Umfeld: Es zerkrümelten die Mythen von Klassenlosigkeit, ganzheitlicher Bourgeosiefizierung und fröhlichem Pluralismus in Anzeichen einer Rezession und in Massenarbeitslosigkeit. Gleichzeitig gab es kaum erkennbaren politischen Widerstand.

    Subkulturelle Aktivität wurde also nun in Zusammenhang mit der Klassenauseinandersetzung gebracht und vorwiegend als Ausdruck von working class-Widerstand gedeutet.
    In diesem intellektuellen und politischen Projekt gab es natürlich nur wenig Platz, um den Einfluss der Konsumgesellschaft oder bürgerlicher Werte auf die Bildung subkultureller Styles herauszustellen.

    Ein Beispiel dafür wäre die Rolle kommerzieller Unternehmer, etwa Malcolm Maclaren, und Lumpenintellektueller von den Art Schools in der Entstehung von Punk.
    So tauchen also bourgeoise ästhetitische und intellektuelle Ideale in vermeintlich authentischen Arbeitersubkulturen auf. Punks etwa, und ihr Interesse an der Avantgarde, an bohemen Lifestyles und romantischen Idealisierungen der Verschmelzung von Leben und Kunst.
    Sind Subkulturen im Rahmen dieses Wertekosmos noch einfach widerständisch?

    Hier müsste man sich den Dialog zwischen den Englischen Art Schools und der Popkultur mal genauer anschauen.

    Kunst und Pop:

    Nach Frith und Horne tauchen bestimmte Aspekte und Erfahrungen der Kunsthochschule in der Populärkultur auf (in Magazinen, Postern, Videos, Filmen und Musikstücken). Teile des Lifestyles und der entsprechenden Identität, des art school-Ethos, verändern in den späten 60ern, 70ern und 80ern nachhaltig subkulturelle Gruppen. Es geht um Werte, Wissensformen und Handlungen, die kreative Freiheit versprechen und alternative, kritische Ansichtsweisen bevorzugen. Dazu kommt das Aufbrechen der Grenze zwischen Arbeit und Freizeit, in dem Moment, in dem Arbeitspraktiken wie Malen und Entwerfen und die Auseinandersetzung mit Feldern wie z.B. Kunstgeschichte alltäglicher Bestandteil eines gewissen Lifestyles werden.

    Um nochmal das Beispiel von Punk zu nehmen: Die Punk-Subkultur erscheint zunächst als reine Arbeiterklasse-Subkultur, die auf Jugendarbeitslosigkeit und Inhaltslosigkeit reagiert.

    Sie stellt aber letztendlich keine Ausnahme zur Ausweitung bohemer und künstlerischer Avantgarde-Ideale, -Bilder und -Handlungen dar.
    Dada als Punk und Punk als Situationismus.
    Frith behauptet sogar trocken, dass die Chefrhetoriker des Punk aus dem Atelier und nicht aus der Gosse kamen.

    In Anbetracht klassisch-moderner Mittelklasse-Diskurse über die Bedeutung der Avantgarde und theoretisch-informierter Kritik, stellt sich die Frage, ob Subkulturen notwendigerweise im Sinne von working class-Widerstand verhandelt werden sollten.

    Dazu stösst nun der Aspekt der Kommerzialisierung. Märkte, Medien und Subkulturen sind miteinander verwoben - im Fall von Maclaren und Punk sogar von Anfang an.

    Einigen Theoretikern zufolge, z.B. Thornton, zu der wir gleich kommen, ist die Idee der authentischen Subkulturen, die von anbiedernden Medien und Marketingakteuren nur zu bald kannibalisiert werden, eh zu naiv. Dazu gleich mehr...

    Der Punkt ist, dass Widerstand als Leitmotiv ins Wanken gerät.

    Trotzdem bleibt ein progressives Moment enthalten:
    Die Verbreitung art school-inspirierter Subkulturen führt mit sich, dass Kreativität und Kritik als Ideale transportiert werden. In i-D, The Face und Blitz beobachten Frith und Horne die Vermarktung des art school-Ethos auf eine Art, in der Kreativität, Kommentar und Kommerz ununterscheidbar werden.

    Anti-kapitalistische Politik? Wohl kaum. Eine Basis für ästhetische und kognitive Reflexion? Vielleicht.

    Ein weiterer Aspekt der Vermarktung von jugend- und subkulturellen Gütern, der ebenfalls Widerstand in Frage stellt, aber Kritik und Reflexion zulässt, ist die Entstehung eines subkulturellen Arbeitsmarkts.

    Ohne jetzt weiter auf die Kulturindustrie einzugehen, gibt es immer mehr kleine Unternehmen in Sachen Kunst, Musik, elektronische Medien, Mode, Film und so weiter. Man muss sich dafür nur mal das Büchlein "Berlin.Now" anschauen (Benkert, Breitkopf, Michaelis), um eine Reihe solcher Projekte, die z.T. jugend-, klub- oder subkulturell verankert sind, kennenzulernen.

    In Londons East End findet man übrigens eine ähnliche Ansammlung von solchen Mikro-Ökonomien. Interessant ist an diesen Ökonomien, dass Produktion und Konsum nicht mehr so deutlich von einander zu trennen sind.

    Producer sind oft leidenschaftliche consumer, und immer mehr consumer starten ihre eigenen Produktionen. Immer häufiger fliessen Arbeit und Freizeit ineinander über, Hobbies werden Jobs und grössere Unternehmen klopfen an.

    Dabei werden meist die bestehenden Produktionsverhältnisse reproduziert. Opposition zu kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien scheint zweifelhaft. Das schliesst aber wiederum nicht Kreativität und Kritik in subkultureller Produktion aus.

    Im Gegenteil: Ästhetische und intellektuelle Werte motivieren solche Produktionen, auch genau dann, wenn man z.B. als freier Mitarbeiter seine wirtschaftliche Ohnmacht nur zu deutlich spürt.

    Post-Birmingham Centre: Trennung vom Marxistischen Diskurs

    Thornton wechselt den Blickwinkel von "dominanten Ideologien und widerständischen, subversiven Subkulturen" zu "subkulturellen Ideologien" (1995).

    Und von "authentischen" working class-Subkulturen zu Gruppen, die sich durch Medienrepräsentationen und Konsum erst formieren und authentifizieren. Diese Formation funktioniert durch vermitteltes subkulturelles Kapital (Thornton via Bourdieu).

    In Thortons Studie "Club Cultures" werden die Diskurse der Klubgänger nicht einfach als unschuldige / arglose Aussagen verstanden: Wie die Dinge wirklich sind.

    Sie werden als Ideologien betrachtet, die bestimmte Zwecke ihrer Verfechter erfüllen. Vor allem dienen sie dem Zweck der Abgrenzung und Unterscheidung. Dieser Prozess findet im Artikulieren von bestimmten Werten und Geschmäckern statt. Aber Unterscheidung und Abgrenzung ist nicht einfach nur urteilsfreies Verkünden von Differenz. Während Autorität angenommen wird, wird gleichzeitig die Minderwertigkeit anderer ausgedrückt.

    Klubkulturelle Ideale sind nicht einfach nur subversiv gegenüber einer monolithischen, dominanten Ideologie. Sie beinhalten ihre eigenen Formen von Diskriminierung und Unterdrückung. Dabei werden bestehende Machtverhältnisse reproduziert, aber nicht unterwandert.

    Der Ausdruck von Status und hierarchisch angeordneten Werten funktioniert, nach Thornton, durch "subkulturelles Kapital". Der von Bourdieu entlehnte Begriff beschreibt Wissensformen, Kenntnisse und Kompetenzen, die einen gewissen Geschmack hervorrufen und dadurch Status suggerieren. Wen es zum Beispiel nach der einseitig bespielten rosafarbenen 7-inch Single von Jeff Mills aus dem Jahr 1994 gelüstet, strebt nach einem höheren Status, als dem, der Fans von vielleicht kommerziellerer Musik zugeschrieben wird.

    Das verschiebt sich übrigens permanent. Im Moment kann man zum Beispiel wunderbar subkulturellen Status in Anspruch nehmen und sich als besonders hip empfinden und trotzdem Chartmusik (z.B. Kylie) hören. Das hat aber weniger mit dem Zerfall bestimmter Hierarchien zu tun und mehr mit der Verbreitung neuer Hierarchien. Im Sinne von: "Ich hab doch nicht nötig, wie ein Nerd um Insidertum zu buhlen - Da steh ich drüber." Im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich in der Statusliga.

    Zurück zum subkulturellen Kapital: In Thorntons Studie gelten diese Wissensbasen als plural, da taucht dann schon mal neben Insiderwissen über bestimmte Clubnächte ein intellektueller oder akademischer Diskurs auf.

    Bücher wie z.B. Hebdiges "Subculture" besprechen Subkulturen und bieten eine Reihe von Konzepten, Modellen, Logiken, durch die man sich und seine Umwelt kritischer oder tiefgreifender reflektieren kann.

    Darauf bezieht sich ja mein Titel, Subkultur als Lernkontext - Futter für die Reflexion.
    Hier also ein Paar Beispiele, die ich ausgesucht habe, um dieses Argument zu illustrieren. In meiner Forschungsarbeit z.B., geht es um die Texte und weiteren Lernerfahrungen, die meine Teilnehmer anführen. Da tauchen dann natürlich die jetzt folgenden Beispiele nicht unbedingt auf.

    ***OHP EXAMPLES
    (Abbildungen und Textbeispiele aus verschiedenen Medien, die Kategorien, Konzepte usw vermitteln, durch die man evtl. sich und seine Umwelt nuancierter, differenzierter reflektieren kann.) ***

    Thornton würde jetzt behaupten, dass diese abgebildeten Medien nicht einfach nur ein Ausdruck von angesammeltem kulturellen Kapital sind, wie bei Bourdieu. Stattdessen sind diese Medien entscheidend dafür, subkulturelles Kapital zu bestimmen und zu verbreiten.

    Ausserdem muss man natürlich sagen, dass nicht jeder diese pop-kulturell vermittelten Konzepte, Modelle, Theorien und so weiter rezipiert.

    D.h. es kann auch nicht immer und sofort von kritischer Reflexivität gesprochen werden. Aber darum geht es ja eigentlich auch nicht. Sondern es geht um den Versuch, einen neuen analytischen Rahmen zu bauen, der den Kernreferenten "Widerstand" durch das Motiv "Reflexivität" ersetzt. Es scheint so, als würde es Sinn machen, zeitgemässe Untersuchungen nach diesem Konzept hin zu organisieren. Das möchte ich zumindest behaupten. Dass die Reflexivität der Forschungsteilnehmer dabei nicht einfach nur in "ja: reflexiv, kritisch, bewusst, informiert, engagiert" oder in "nein: überhaupt nicht kritisch und bewusst" fällt, ist klar.

    Reflexivität ist kein einheitliches Phänomen und auch kein einheitliches Konzept. Genau genommen ist es sogar eine gewisse interne Widersprüchlichkeit, die den Begriff vielleicht gerade unter gegebenen sozio-kulturellen Bedingungen als angebracht erscheinen lässt (auf Reflexion folgt immer auch Deflexion, unkritisches, unreflektiertes Handeln und Verhandeln).

    Es geht auch gleich um Reflexivität, vorher gibt es jedoch noch einen Bereich im Feld der subcultural studies, genauer post subcultural studies, der besprochen werden soll.

    -- P A U S E --

    Post-Subkulturwissenschaft

    Subkultur und Mainstream haben fliessende Grenzen, die subjektiv gezogen werden. Die Subkultur verliert dadurch ihren "subalternen Status" (Baacke und Ferchhoff). Ihre Styles sind nicht einfach antagonistisch zum Establishment. Sie sind in gewisser Weise Teil des Establishments und des Mainstreams, der wiederum vielfältig und differenziert ist: Ein "Mainstream der Minderheiten" (Holert/ Terkessidis).
    Welchen Sinn erfüllt der Subkulturbegriff dann noch? Neben vertikalen Grenzen, werden zusätzlich noch horizontale (zwischen subkulturellen Gruppen) porös. Sagt man lieber neo-tribe (Bennett) oder Substream (Weinzierl) zu den neuen, fragmentierten Gesellschaftsformen?

    Wenn man das Modell "dominante Ideologie gegenüber subversiver Subkultur" hinter sich lässt und sich auf "subkulturelle Ideologie" konzentriert, kann Kritik am Status Quo nicht wirklich getrennt werden, von Ideen, die bestehende Machtverhältnisse widerspiegeln (cf. Thornton 1995).

    Angesichts dieses Widerspruchs wird die binäre Opposition Widerstand / Konformität kompliziert. Dazu kommt, dass eine dualistische Vorstellung von Gesellschaft im Sinne "dominant" / "subversiv" nicht wirklich auf einem pluralistischen, heterogenen Popterrain greift.

    Spät- oder Postmoderne Verbreitung von Styles in jeglichen Disziplinen schafft eine kulturelle Sphäre, die sich stark vom homogenen Massenkulturmodell der Frankfurter Schule unterscheidet. Kurzes Beispiel: "Top of the Pops" vor einigen Wochen hatte auf Platz 6 die, wie ich dachte, Underground Garage Gruppe More Fire Cru. Die brachten einen minimalen 2 step Garage cut, kaum mehr als dröhnende Bassline, Schluckauf Beats und übersteuertes Gerappe. Dann kam auf Platz 7 Rik Waller, der bei Pop Idol teilnahm und ganz langsam Whitneys "I will always love you" nachsang. Was underground und was mainstream ist, oder als dieses oder jenes bezeichnet wird, ist gar nicht mehr so klar.

    Als eingebildetes Konstrukt wird der Mainstream immer wieder heraufbeschwört - mal in Form von Mayday-Ravern, dann als Teeny Boyband-Wahn, oder beispielsweise als "TV Total"- Spassgesellschaftsphänomen.

    Holert und Terkessidis heben aber grade heraus, dass sich der Mainstream immer "minderheitlicher" organisiert - und gar nicht als simple Monokultur. Sie sprechen von einem segmentierten Markt und einem Mainstream, der sich "vehement um das symbolische Kapital von 'Minderheiten' bemüht" (1996). Also nicht nur Enrique Iglesias sondern More Fire Cru bei "Top of the Pops". Natürlich kann man behaupten, dass manches eher Mainstream ist als anderes, der Punkt ist jedoch, dass die Grenzen verwischen. Ist Afrob mainstream? Und Cool Savas?

    Die bi-polare Vorstellung Underground / Mainstream gerät ins Schwanken. Was soll dann noch der Subkulturbegriff?

    Nicht nur überkreuzen sich nach Baacke und Ferchhoff Dominante Kultur, Subkultur, Teilkultur und Gegenkultur, sondern sie mischen sich auch vielfach.
    Die Vielfalt an Styles, Codes und Praktiken mit denen sich Jugendliche oder junge Erwachsene auseinandersetzen, übertrifft demnach die Bandbreite einer Subkultur. Subkultur bedeutet ja immer auch irgendwie interne Homologie (cf Hebdige, 1979).
    Aber Homologie, gesellschaftliche Stabilität und kulturelle Kohärenz ist nicht wirklich gegeben. Zumindest nicht bei den Individuen oder Gruppen, die quer durch stylistische Felder und kulturelle Disziplinen ziehen. Hier mal im WMF beim Raz Ohara-Konzert, dann zur Präsentation der neuen 032c-Ausgabe nebenan in die von Rot Galerie, kurz ins Köpi und dann vielleicht zur Wissenschaftsakademie.

    Hier gibt es kaum noch die festen Gemeinschaftsformen, die es im Subkulturmodell von Gordon z.B. noch gab.
    Fliessende Übergänge zwischen Szenen und lose Beziehungen verlangen nach einem neuen Konzept. Bei Bennett heisst es "neo-tribe", bei Weinzierl "Substream".
    Beide Begriffe stellen weder eine einheitliche Subkultur noch totalen "alles geht" Relativismus dar. Das wäre vielleicht: Buffalo Boots zum Helmut Lang-Anzug...

    Es gibt schon organisierende Strukturen und am sinnvollsten lassen die sich - was jetzt subkultur-verwandte Gruppen rund um Mitte angeht - anhand des Substreamkonzepts erfassen.

    Weinzierls Substream (meine Auswahl und Übersetzung einer ausführlicheren Liste an Charakteristika):

    Die Stile im Substream sind pluralistischer als in historischen Jugend- und Subkulturen. Substreams wollen sich nicht permanent ausserhalb der Gesellschaft positionieren; sie akzeptieren Angebote eines eklektischen Mainstreams. Viele Anhänger eines Substreams sind Produzenten und Konsumenten - Als DJs, Labelbetreiber, Publizisten, Musiker, Club-Promoter, etc. Ein Substream hat keine wirklich feste Gruppenidentität sondern multiple und fliessende Teilzeitidentitäten. Der Individualismus der Teilnehmer wird höher bewertet als in traditionellen Subkulturen. ...

    Was hält den Substream und macht ihn zu einer zusammenhängenden Gesellschaftsform? Eine sich überschneidende Ansammlung von geteilten Interessen, Normen, Werten, Texten, Orten und Geschmäckern.

    Es gibt natürlich Klischees von Gruppen in und um Mitte. Mitte-Hipster, Mitte-Styler, den Ausdruck "Mitti" habe ich paar mal gehört, und: Themenparkmenschen. Das kommt wahrscheinlich daher, dass sich Mitte immer mehr in trendy Amusementmeilen verwandelt und dann zu einer Art Vergnügungspark für szenegeile Arztkinder aus Schwaben wird. Man sollte Klischees auf jeden Fall nicht überbewerten - vor allem, wo es immer mehr Neu-Berliner gibt, die in Kreativszenen aktiv sind und oft engagierter sind, als manche Urberliner, die sich immer noch darauf ausruhen, eine Klubmarke zu haben, aus der Zeit, als das WMF noch in der Burgstrasse war...

    Jedenfalls ertönt ausser den Klischees immer wieder die Behauptung, es gäbe nur Individuen mit höchst unterschiedlichen Bastel-Biographien.

    Was jetzt meine Untersuchungen angeht, erscheint es doch, als gäbe es eine semi-strukturierte Gesellschaftsform. Diese ist namenlos und wird von sich aus kaum identifiziert - natürlich nicht: es sind ja alles "Individuen".
    Allerdings scheint es sich hier um einen Substream zu handeln:
    Die verbindenden Elemente:
    Geteilte Praktiken
    Signifikante Orte: Volksbühne, WMF, Maria, Cookies - wenn auch in einer unterschiedlichen Reihenfolge, was Vorlieben angeht.
    Es gibt gemeinsame Texte, z.B. Spex und Debug.

    Was gemeinsame Normen und Werte angeht: Die meisten Teilnehmer meiner Untersuchung haben über einen Pop-Avantgarde-Ethos gesprochen, der an die art school-inspirierten Subkulturen erinnert. Dieser kommt darin zum Tragen, dass "cutting-edge" Mode, Musik, Filme und andere Güter angeführt werden. Diese werden aber fast nie als "hip", "weit vorne" oder "cutting edge" bezeichnet. Natürlich nicht. Es kann ja auch kaum etwas uncooleres geben als Leute, die sagen, dass sie hippe oder coole Sachen mögen. Es geht dann also eher um kreative Mode, innovative Platten, die richtigen Bücher und wichtigen Filme.

    Das hört sich jetzt schrecklich regimentiert und nach normativen Urteilen an, das mag sein, aber ich trage wie gesagt grade die Gemeinsamkeiten zusammen und lasse jetzt die Differenzen aussen vor.
    Was Geschmack ansonsten angeht, geben sich meine Teilnehmer interdisziplinär: Sie investieren in Musik, Mode, Kunst und zum gewissen Grad in Film und Literatur. Man findet interessanterweise oft die Auswahl wieder, die auch in Magazinen zusammenkommt.

    Nicht nur, aber es scheint so, als sei kultureller Konsum strukturiert. Es ergibt sich eine Art "paradigmatische Homologie", also eine Konstante entlang gewisser Felder.
    So trifft man anscheinend die gleiche Crowd bei einem Matt Herbert Konzert, zum Gummo gucken und bei der Biennale. Dieses Überschneiden von Events, Personen, Erfahrungen, Räumen und Texten ergibt eine vernetzte, soziokulturelle Formation.

    Dieses Netz enthält aber lose Fäden, Löcher und Ungleichmässigkeiten. Es ist keine Subkultur. Zum Bespiel gibt es charakteristische Modestile - und nicht nur den der "Modepunks" - aber es gibt keinen homogenen völlig bezeichnenden Dresscode. Im Substream herrschen pluaralistische Styles - im Gegensatz zu historischen Jugendkulturen.
    Die qualitative Vielfalt an Praktiken, Texten und Plätzen bringt temporäre Formen der Identifikation mit sich. Im Substream gibt es keine feste Gruppenidentität.

    Der Mitte Hipster ist ein Mythos.

    Es gibt subkultur-verwandte Strategien: z.B. der oft zitierte Versuch, konventioneller Mittelklasse-Existenz durch kreative Lebensentwürfe zu entkommen: Ich will nicht zwischen 9 und 6 im Büro hocken, brauche keinen schicken Wagen, sondern will designen, Kunst machen. Der Mitte-Substream ermöglicht diesen Lebensentwurf, bietet somit Alternativen zu weiter verbreiteten Lebensstilen. Das heisst aber nicht, dass der Substream in seinen Fundamenten gegenkulturell oder anti-bourgeois ist.

    Von Subversion und Widerstand im Klassenkampf zu sprechen, wäre übertrieben.
    Im Gegenteil: Substreamanhänger sind oft Kulturproduzenten: als freie Journalisten, DJs, Laptopmusiker, Designer, etc., die bestehende Produktionsverhältnisse widerspiegeln. Ausserdem sind viele Mitglieder aus bürgerlichen Schichten und geniessen z.B. eine Hochschulausbildung.

    Was die Beziehung zum Mainstream angeht: Einerseits gibt es weiterhin das Verlangen, sich abzugrenzen, andererseits wird der Mainstreambegriff oft auch demonstrativ angenommen. Mensch ist schliesslich Individuum und unterwirft sich nicht dem Underground-Regime der Nerds und Statuspaniker. Substreams, beobachtet Weinzierl, sind nicht so stark bemüht, sich vom Mainstream, was immer das heisst, zu trennen wie z.B. Punks. Und der Individualismus der Teilnehmer wird höher angerechnet als in traditionellen Subkulturen.

    Somit sind wir erstmal angekommen - analytisch und empirisch - bei einer sozio-kulturellen Formation, in der durch ihre Form und ihre Inhalte die Untersuchung von Reflexivität Sinn machen würde.

    Einerseits, weil dies evtl. ermöglicht, diese Jugend und Post-Subkulturgruppen auf das progressive oder kritische Moment hin zu analysieren, welches von Reflexivitätstheorie angenommen wird. Und andererseits weil an diesen kulturellen Formationen unter eben solchen Gesichtspunkten Jugend- und Subkultursoziologie weiterentwickelt werden kann.

    Also nun endlich: Reflexivität

    Reflexivität

    Reflexivität wird hier verstanden im Zusammenhang mit dem Integrieren und Anwenden von Information und Wissen. Das kann dazu führen, dass ästhetische und kognitive Repertoires aufgestockt werden. Zusätzlich kann es zu einer grösseren Kapazität führen, eigene Erfahrungen und die gesellschaftlichen Hintergründe, in denen diese entstehen, zu begreifen. (Oder differenzierter, nuancierter zu begreifen). Mit Habermas könnte man dies als steigernde Symbolisierungs- und kommunikative Kompetenz bezeichnen.

    [Illustrationen OHP]

    Diese Art der kritischen Reflexivität basiert auf dem Aneignen gewisser Konzepte, Bilder, Diskurse, Kategorien und Logiken.

    Deshalb: "Futter für die Reflexion".

    Diese Elemente werden nicht nur in Institutionen aufgegriffen, sondern vermehrt in Jugend- oder Subkultur-verwandten Umgebungen gelernt. Dieses Lernen stellt nicht unbedingt reine, normative Didaktik dar, sondern eher ein Dialog-artiges Verhandeln. Es ist verbunden mit dem Formen und Performen kultureller Identitäten. Es ist Teil eines gewissen Lifestyles und ist in die Handlungen dieses Lifestyles integriert.

    (Zur Pro qm Buchhandlung gehen, einen Reader über Popkultur durchblättern)

    Deshalb: "(Post-) Subkultur als Lernkontext"

    Es gibt drei Arten von Reflexivität:

    Die kritisch kognitive,
    die ästhetische,
    die hermeneutische

    Ein kritisches Moment kommt meiner Einschätzung nach in der hermeneutischen nicht zum Tragen. Daher lasse ich diese Dimension jetzt erstmal aus.

    Kognitive Reflexivität: recht einfach vorzustellen. Ein Konzept wird aufgegriffen, etwa in einem Magazin, und auf eine bestimmte Erfahrung und Situation angewandt. Der Effekt ist möglicherweise eine Art Aha!-Erlebnis.

    Diese Reflexion, diese Überlegung, muss natürlich nicht unbedingt, formal und instrumental ablaufen. Sie muss auch nicht so ablaufen, dass das Konzept völlig gehorsam angewandt wird - das nur als Erklärung an die Foucault'schen Kritiker, denen sich das Ganze schon zu sehr nach Power-Knowledge anhört. Es ist oft auch so, dass gerade in den Missverständnissen interessante, ungeplante Einsichten und Erkenntnisse entstehen.

    Soweit ist alles recht einfach. Nun gibt es aber die Dimension der ästhetischen Reflexivität, wo alles etwas schwammiger wird.

    Auf dem simpelsten Level bedeutet ästhetisches Reflektieren die Verarbeitung von Alltagserfahrungen durch Bilder, Klänge und weitere sinnliche Erfahrungen.
    Um jetzt mal ein Beispiel zu geben: Kathartisches Mitfiebern im Actionstreifen erlaubt es, die angestauten Aggressionen gegen den übermächtigen Abteilungsleiter wegzuspülen. Handlungen in Seifenopern z.B. können einen Leitfaden bieten, entlang welchem man evtl. Beziehungsthemen verhandeln kann, usw.

    Die Rede war ja vorher die ganze Zeit davon, dass Reflexivität ein "progressives Moment" enthalten würde. Diese Formen des Medienkonsums erscheinen aber nur mit viel Wohlwollen als besonders kritisch oder gesellschaftsverändernd.

    Natürlich gibt es gerade im Media Studies-Bereich diejenigen, die behaupten, es sei bereits progressiv, dass jeder irgendwie eine individuelle Agenda zum Text bringt. Aber ob deshalb dominante Bedeutungen, Ideologien und andere Machteffekte ausgehebelt werden, ist fraglich.

    Die 2. Dimension ästhetischer Reflexivität, die "heuristische", wenn man so will, hat mit dem Ansammeln von bestimmten Kompetenzen und Feinfühligkeiten gegenüber ästhetischem Material zu tun. Hier gehts darum, ästhetische Ausdrucksformen zu lernen. Etwa visuelles Vokabular, Designstile, Klangmuster einordnen zu können usw.

    [OHP grafische Beispiele]

    Die dritte Variante ist die Abstrakteste: ästhetische Kritik. Diese setzt auf die Philosophie Adornos.

    Das beginnt mit der Hoffnung, dass Kunst die uneingeschränkte Operation von Strukturen der Dominanz, von unausgeglichenen Machtverhältnissen irgendwie unterbrechen kann.

    Das ästhetische - Kunst, aber auch Musik, Film usw - wird hier nicht so sehr dechiffriert und semiotisch zerlegt, sondern eher intuitiv erfühlt.

    Durch das Erfassen des Werks kann es zu einem "Moment der nicht-identischen Erkenntnis" kommen.

    Ein nicht-identischer Keim im Kunstwerk bewegt, beunruhigt, rüttelt auf, verstört, verschärft.

    Die nicht-identische Erkenntnis richtet sich gegen Normierung und Standardisierung und ihre Formen der Verhärtung und Entfremdung.

    Normierung von Verlangen, Standardisierung von kulturellen Gütern, Verhärtung der Arbeitsverhältnisse und Entfremdung vom Wesen und von der Seele.

    Das System, um es in Habermas' Worte zu fassen, kolonisiert die Lebenswelt.

    So geht zumindest der Diskurs; ob und wie diese Behauptungen im global-kapitalistischen Alltag aussehen, kann sicherlich auf verschiedene Weise diskutiert werden.

    So soll zumindest ästhetische Kritik funktionieren, und es wäre natürlich spannend zu beobachten, inwiefern man Anzeichen davon in subkultur-verwandten Gruppen findet, die ein recht hohes Interesse an Kunst und weiteren äshtetischen Ausdrucksformen haben.

    Also in Zusammenfassung ästhetische Reflexivität:

    Gibt es als steigende Kompetenz im Umgang mit Bildern, Sounds, Designs, usw.
    Und als abstrakte Kritik auf der Grundlage von Empfindung (genauer: Differenzempfinden)

    Kognitive Reflexivität enthält informierte Überlegungen und setzt auf Erkenntnis, Bewusstsein und Kritik.

    Und genau darin liegt ihr progressives Moment: darin, dass diese Reflexivitätsformen das Kritik- und Vorstellungsvermögen ausweiten. Das steigert womöglich Autonomie und Mündigkeit - ist somit emanzipatorisch.

    [ nochmals bootlab OHP, siehe Einleitung]

    Mein Ziel ist es, durch das Betrachten von Postsubkulturen als Lernkontext dieses progressive Moment aufzuspüren, zu hinterfragen, und evtl. einzuschätzen.

    Denn dieses Verhandeln von Wissen passiert und ist seitens der Akademie noch recht unentdeckt. Möglicherweise kann durch solche Untersuchungen der Kanon der Jugend- und Subkulturforschung, der hier via Chicago, Birmingham und post-subcultural studies besprochen wurde, einen Tick nach vorne bewegt werden.









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